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Das Weltbild des antiken Griechenland: Sokrates, Platon, Aristoteles


Die Wurzeln unseres heutigen Denkens reichen bis in die griechische Antike zurück. Dieser Artikel fasst die Weltbilder der bekanntesten griechischen Philosophie in Kurzform zusammen. Die Unterschiede in den verschiedenen Denkmodellen der alten Griechen lassen erahnen, welchen Einfluss die jeweilige Weltsicht auf das alltägliche Denken, Wahrnehmen und Handeln haben kann. Auch heute dürfe es interessant sein darüber zu reflektieren, ob und inwieweit das eigene Lebensgefühl durch ein bestimmtes Weltbild geprägt wird. Siehe hierzu auch den Artikel "Die Macht des eigenen Weltbildes"



Inhaltsübersicht:

  1. Die Vorgeschiche: Von den Ursprüngen der griechischen Philosophie bis zu den Sophisten
  2. Sokrates: Das eigene Denken und das der Anderen hinterfragen
  3. Platon: Die Welt als Schatten einer höheren Wahrheit
  4. Aristoteles: Die Welt als empirisch zu untersuchender Ort
  5. Vom antiken Griechenland in die Moderne: Weltbilder und Lebensgefühl
  6. Weiterführende Informationen und Buchtipps

Die Schule von Athen, Raffael 1511

1) Die Vorgeschichte: Von den Ursprüngen der griechischen Philosophie bis zu den Sophisten

Im frühen sechsten vorchristlichen Jahrhundert begannen die ersten Bestrebungen, die Welt neu zu verstehen. Die bisherige, mystische Welt von Homer wurde mittels Erzählungen erklärt, in denen die Erlebnisse der Helden in Kontext größerer universeller Zusammenhänge gesetzt wurden. Die Widrigkeiten des Lebens der Helden kombiniert mit Erzählungen über die damaligen Götter sollten den Zuschauern Parallelen zum eigenen Leben aufzeigen und Sinn vermitteln.

Der erste Schritt in Richtung eines neuen Weltverständnisses ging in Richtung einer mehr wissenschaftlichen Sichtweise, beinhaltete jedoch noch mystische Elemente. Etwa ein Jahrhundert später unternahm Parmenides von Elea (ca. 540 v.Chr. bis 480 v.Chr.) den Versuch, die Wirklichkeit mit rein rationaler Logik zu erklären. Somit wurde zum ersten Mal eine Auseinandersetzung mit der Frage nach Unterschieden zwischen rationaler Wahrheit und sinnlicher Wahrnehmung erforderlich. Parmenides trennte hierzu die Realität in eine statische materielle Substanz und eine dynamische ordnende Lebenskraft. Bisher waren diese beiden Aspekte nie getrennt voneinander betrachtet worden.

Durch Leukipp (5. Jhd v.Chr) und Demokrit (ca. 460 v.Chr. bis ca. 370 v.Chr) wurden die ersten Modelle entwickelt, welche die Welt als rein materiell und durch kleinste Teilchen (Atome) zusammengesetzten Mechanismus erklärten. Die Atome wurden mechanisch und nicht von irgendeiner kosmischen Intelligenz gesteuert.

In der zweiten Hälfte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts traten die Sophisten auf den Plan. Als reisende Lehrer waren sie weltlich, liberal gesinnte Humanisten. Ihr Denken war rational geprägt und sie maßen jede Überzeugung oder Meinung stets an ihrem Nutzen. Zu dieser Zeit gab es eine Vielzahl an Theorien zur Beschaffenheit der Welt, von denen sich die meisten widersprachen und die oft nur wenig mit der erfahrbaren Welt zu tun hatten. Die Sophisten kritisierten die Realitätsferne dieser Theorien und argumentierten, dass jeder Mensch seine eigenen Erfahrungen und somit auch seine eigene Wirklichkeit besitzt. Die Suche nach einer objektiven Realität war für sie somit sinnlos. Da für die Sophisten eine Suche nach absoluten Wahrheiten nicht in Frage kam, setzten sie sich für die Schulung der Bevölkerung in Rhetorik und Logik ein. Aus diesem Bestreben entstand die Paideia, das klassische griechische Erziehungs- und Bildungssystem.

Alte Gewissheiten wurden somit zunehmend destabilisiert, allerdings war eine Stabilisierung durch neue Erklärungsmodelle nicht möglich, da die Philosophie der Sophisten ja dem menschlichen Verstand die Fähigkeit zur objektiven Welterkenntnis absprach.

2) Sokrates: Das eigene Denken und das der Anderen hinterfragen

Zur Zeit der Sophisten wuchs der Philosoph Sokrates (469 v. Chr. bis 399 v. Chr.) auf.

Während seines Studiums der Naturwissenschaften stieß er sich an den widersprüchlichen Theorien. Da sie aus seiner Sicht mehr zur Verwirrung als zur Klarheit beitrugen, wandte er sich von Physik und Kosmologie ab und widmete sich der Ethik und der Logik. Im Gegensatz zu den Sophisten ging Sokrates davon aus, dass eine absolute Wahrheit existiert, sie nur noch nicht gefunden wurde. Die Entdeckung der eigenen Unwissenheit stand für Sokrates am Anfang der philosophischen Arbeit, sie sollte aber nicht das Endergebnis sein.

Nach Sokrates sind alle Menschen auf der Suche nach Glück. Dieses Glück können sie aber nur erreichen, wenn ihre Lebensweise der Natur ihrer Seele entsprach. Glücklichsein war somit keine Folge äußerer Umstände sondern eine der Lebensführung. Doch um ein wahrhaft gutes Leben zu führen, musste der Mensch wissen, was die Natur des Guten war. Man musste also nach Maßgabe der Vernunft handeln und in allen Handlungen das darin enthaltene Wesen der Tugend entdecken.

Mit seiner Dialektik der Beweisführung entwickelte Sokrates einen der Grundpfeiler westlichen Denkens : Dabei ging es darum im Dialog mit anderen deren Aussagen auf darin versteckte Annahmen zu überprüfen und diese Annahmen dann rigoros zu hinterfragen, um auf diesem Weg die Wahrheit ans Licht zu bringen. Doch es ging Sokrates nicht nur darum, die Standpunkte seiner Gesprächspartner zu analysieren: Philosophie zu praktizieren bedeutete, auch die eigenen Gedanken einer kontinuierlichen Prüfung zu unterziehen. Wahres Wissen war etwas, das sich nicht aus zweiter Hand erwerben ließ, sondern war etwas, das man persönlich erringen musste.

Mit seiner Art andere Menschen unablässig zur Rede zu stellen, machte sich Sokrates jedoch nicht nur beliebt und er wurde zunehmend als unterminierendes Element der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung betrachtet. So kam es, dass ihm von zwei athenischen Bürgern Gottlosigkeit und verderblicher Einfluss auf die Jugend vorgeworfen wurde. Ihm wurde deshalb der Prozess gemacht. Sokrates hätte zwar die Möglichkeit zur Flucht gehabt, blieb jedoch seinen Prinzipien treu und entschied sich für seine Überzeugungen zu sterben. Durch die Verurteilung zum Trinken eines Bechers mit Gift wurde Sokrates zum Märtyrer des philosophischen Ideals. Seinen Versuch, das Gespür für Gerechtigkeit in der Bevölkerung zu entwickeln, bezahlte er mit dem eigenen Leben.

3) Platon: Die Welt als Schatten einer höheren Wahrheit

Platon (428/427 v. Chr. bis 348/347 v. Chr.) war Schüler von Sokrates und entwickelte dessen Philosophie weiter.

Für Platon war die höchste Wirklichkeit nicht nur rationaler Natur. Allem Materiellen ordnet er einen transzendentalen Aspekt zu, der vom geschulten Philosophen unmittelbar erlebt werden konnte. Über den für die Augen sichtbaren Aspekt eines Gegenstands hinaus, erschloss sich dieser transzendentale Aspekt nur für den wahrhaft Liebenden, so Platon. Man musste zulassen, innerlich die Trennung vom Göttlichen aufzuheben, von der universellen Leidenschaft ergriffen zu werden, um diese Aspekte wahrnehmen zu können. Die unsterbliche Seele stand vor der Geburt in Kontakt mit dem Göttlichen, verlor aber diesen Kontakt durch Vergessen aufgrund ihrer Gefangenschaft im physischen Körper. Die Aufgabe des Philosophen war die Wiedererinnerung der transzendenten Ideen, um unmittelbares Wissen von den wahren Ursachen und Quellen der Dinge wiederzuerlangen.

Platon erkannte in der Welt ein unvermeidliches Maß an Irrtum und Irrationalität. Das Irrationale war mit der Materie und den Begierden des Instinkts verbunden, das Rationale mit dem Geist und dem Transzendenten. Das Irrationale warf seinen Schatten auf die archetypische Vollkommenheit, was zur Existenz des Bösen in der Welt führt.

Bereits vor Sokrates hatte der Philosoph Heraklit (520 v. Chr. bis 460 v.Chr.) den Begriff Logos eingeführt. Der universale Logos stand für ein göttliches Ordnungsprinzip hinter allen Dingen von Vorgängen. Heraklit sah die meisten Menschen als Schlafwandler in einem falschen Traum an, weil sie das Prinzip des Logos nicht verstanden und somit in permanenter Disharmonie mit der Welt lebten. Platon griff diesen Aspekt auf und integrierte ihn in seine Philosophie der Verstehbarkeit der Welt. Weitere Informationen zu Platons Weltbild finden Sie auch auf der Artikelseite "Woher wissen wir, was wahr ist?" in dieser Rubrik "Philosophie und Metawissenschaft".

4) Aristoteles: Die Welt als empirisch zu untersuchender Ort

Der Philosoph Aristoteles (384 v. Chr. bis 322 v. Chr.) wuchs unter dem Einfluss des Weltbilds von Platon auf. Er entwickelte jedoch schließlich eine völlig eigenständige Philosophie.

Aristoteles wandte sich dagegen, dass die wahre Wirklichkeit nur auf einer transzendenten Ebene zu finden sein. Als Gegenentwurf entwickelte er seine Lehre der Kategorien. Unter den zehn von ihm entwickelten Kategorien war die Substanz eines Gegenstands die primäre Wirklichkeit. Weitere Kategorien wie Qualität, Quantität oder Relation waren abgeleitete Größen, die nur in Zuordnung zur primären Substanz etwas über das Sein des Gegenstands sagten. Für Aristoteles bestand die Welt somit aus individuellen, voneinander getrennten Substanzen, die bestimmte Eigenschaften mit anderen Substanzen gemein hatten. Indem er die Ideen Platons durch Universalien ersetzte - allgemeine Eigenschaften, die der Geist in der Welt erkennen konnte - stellte er Platons Ansatz der transzendenten Formen eines göttlichen Ordnungsprinzips auf den Kopf.

Aristoteles Ansatz, dass die Kenntnis der natürlichen Welt in erster Linie auf der Wahrnehmung mit den eigenen fünf Sinnen beruhte, war für viele Menschen besser zugänglich als der abstrakte Ansatz von Platon. Weiterhin integrierte Aristoteles frühere Ansätze der Astronomie in seine Philosophie: Die Erde war darin der unbewegliche Mittelpunkt des Universums, um den sich die Himmelskörper drehten. Hierbei unterschied er zwischen den damals fünf bekannten Planeten und dem Sternenhimmel als Hintergrund. Für die Planeten wurde dabei ein Modell konzentrisch um die Erde kreisender Kugelschalen verwendet.

Das aristotelische Erbe bestand überwiegend aus Logik, Empirismus und Naturwissenschaft. Während in der Antike Platon als der wichtigste Philosoph galt, wandelte sich die Sichtweise im Hochmittelalter grundlegend: Die Philosophie des Aristoteles erwies sich für die wissenschaftliche Forschung des Westens bis zum 17. Jahrhundert als richtungsweisend. Mit René Descartes (1596 bis 1650) und später mit der Epoche der Aufklärung (18. Jahrhundert) erhielt der wissenschaftliche und rationale Weltzugang dann noch einmal einen kräftigen Schub, der bis heute nachhält.

5) Vom antiken Griechenland in die Moderne: Weltbilder und Lebensgefühl

In den oben nur ganz kurz angerissenen philosophischen Perspektiven zeigen sich die Wurzeln unseres heutigen Denkens. Während unser wissenschaftlicher Weltzugang vor allem Aristoteles' Geist entspringt, legte Platon das Fundament für ein eher spirituelles Weltverständnis, in dem die eigentliche Wahrheit in einem metaphysischen Bereich hinter der sinnlich wahrnehmbaren Realität verborgen liegt. Auch religiöse Weltbilder bauen auf dem Primat einer geistigen Welt auf.

In unseren heutigen, westlichen Gesellschaften herrscht zwar keines dieser Weltbilder in Reinform vor, der Einfluss religiöser Weltdeutungen ist aber in den letzten Jahrhunderten ganz eindeutig zugunsten eines eher wissenschaftlichen Denkens zurückgedrängt worden. Interessant ist es, darüber zu reflektieren, welche Effekte dies auf unser Wohlbefinden und unser Lebensgefühl hat. Einerseits befreit der streng wissenschaftliche Weltzugang von Aberglaube und religiöser Verblendung, inklusive negativer Aspekte wie Schuldgefühlen und der Angst vor einer Hölle. Wer sich dem Diesseits zuwendet, die materiellen Vorgänge in der Natur studiert und versteht, der kann seine Lebensumwelt bei entsprechender Technik auch manipulieren und zu beherrschen versuchen. Francis Bacon's (1561–1626) Bonmot "Wissen ist Macht" wurde dementsprechend ja auch zu einer stolzen Losung der Aufklärung. Aber vielleicht ist das auch eine gefährliche Losung. In Anbetracht der ökologischen Krisen unserer Zeit fragt man sich, ob der aufgeklärte Mensch es mit seinem Versuch, die Welt zu seinen Zwecken zu beherrschen, nicht maßlos übertrieben hat. Mehr noch: Es stellt sich auch die Frage, ob der moderne Mensch überhaupt noch ein Gespür für den Sinn seines Tuns und für die Schönheit und Ganzheit der Schöpfung hat. Ein diesseitiger und zweckorientierter Weltzugang mag uns viel Freiheit und Macht verleihen, er nimmt der Welt aber auch jegliche Magie. Der Soziologe Max Weber (1864-1920) nannte das "Entzauberung der Welt". Der moderne Mensch, zwar frei und technisch potent, muss sich als ein von allen höheren Anbindungen abgeschnittenes Individuum wahrnehmen, als ein dem Tod geweihtes Wesen ohne Sinn und Zweck in einem kalten, mechanistischen Kosmos. Wenn es überhaupt in der Natur einen Zweck gibt, dann aus wissenschaftlicher Sicht scheinbar nur den, zu überleben und sich fortzupflanzen.

Anhand dieser etwas zugespitzten Darstellung dürfte deutlich geworden sein, wie sehr ein Weltbild das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen bis in sein tiefstes Selbstverständnis hinein prägt. Das fehlende Sinnangebot eines materialistisch-wissenschaftlichen Weltzugangs bei gleichzeitigem Bedeutungsverlust der Kirchen könnte ein Grund dafür sein, dass spirituelle Weltdeutungen in unseren westlichen Gesellschaften immer mehr Anhänger finden. In Zukunft könnte es eine vielversprechende Option sein, Wissenschaft und Spiritualität nicht als gegensätzliche, sondern als komplementäre Zugänge zur Wirklichkeit zu begreifen. Es gibt durchaus schon eine Reihe von Protagonisten aus der Wissenschaft, die diese Kombination nicht nur vor dem Hintergrund des menschlichen Wohlbefindens, sondern auch zur Erlangung von Erkenntnis für fruchtbar halten. In dieser Rubrik "Philosophie und Metawissenschaft" finden Sie entsprechende Ansätze z.B. bei Rupert Sheldrake oder Thomas Campbell. Viele weitere Forschungsarbeiten, die eine Erweiterung unseres materialistischen Weltbildes um spirituelle Aspekte als sinnvoll ausweisen, finden Sie außerdem in der Rubrik "Bewusstseinsforschung".

6) Weiterführende Informationen und Buchtipps